Gedanken ueber Sinn und Zweck der Menschlichkeit
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Wednesday, 12 July 2006
Der "Dreyfus Portugals" : Artur Carlos de Barros Basto (1887 - 1961)

Alle Welt spricht, besser sollte sprechen, heute ueber jenes denkwuerdige Urteil des franzoesischen Obersten Gerichtshofs Cour de Cassation im Jahr 1906.

Aus einem Papierschnipsel (bordereau) wurde ein Strafverfahren wegen Hochverrats gegen Alfred Dreyfus konstruiert.
Der Osterhase aus dem Burgenland grinste.

Ronald Schechter ermahnt uns, auch heute wieder -mehr denn je- auf der Hut zu sein vor
THE GHOSTS OF ALFRED DREYFUS

Wer in Portugal lebt, wie ich, wird jaeh an die Inquisition erinnert (seit 1536 in Portugal).

Und auch in juengster Zeit noch, man sollte es nicht glauben, hat Portugal ein aehnliches skurriles inquisitorisches Verfahren erlebt, das mit einer unehrenhaften Entlassung eines verdienten Offiziers aus der Armee endete.

Capitao Artur Carlos de Barros Basto (Ben Rosh)



Es war im Ersten Weltkrieg, in den Schuetzengraeben von Flandern, als Soldat Artur freitags einen franzoesischen Kameraden beobachtete, wie dieser Kerzen anzuendete.
Kerzenanzuenden, wie er es selbst als kleiner Junge im Hause seines Grossvaters in Amarante oft und verstaendnislos mit angesehen hatte....

Als Artur, mit einer Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet, nach Hause kommt ist er ein "anderer" Mensch.

Er wird fortan sein Leben dem "Werk der Rettung" (port.:"Obra de Resgate")widmen und bemueht sein, Freunde und Nachbarn aus den portugiesischen Kleinstaedten nahe der spanischen Grenze, im Berg- und Talgebiet Portugals, an ihre Wurzeln zu erinnern.

Crypto-Juden wie seine eigene Familie hatten schreckhaft heimlich (neben dem katholischen !) stets einen rudimentaer juedischen Glauben gepflegt.

Um sich von Schein und Heimlichkeit zu befreien und um sich zumindest anderen Juden als Juden zu erkennen zu geben.....

Die meisten Crypto-Juden ("Versteckjuden") nannten sich "Cruz" (port.: "Kreuz")
Deren Zahl war so gross, dass man spasseshalber zu sagen pflegte, es wohnten in Covilha-Stadt mehr Kreuze als sich dort auf dem Friedhof befaenden....

Zwar hatte in Portugal schon im Jahr 1917 der polnisch-juedische Bergbauingenieur Samuel Schwarz sozusagen juedische Menschen entdeckt.
Aber die Juden Lissabons trauten diesem Polen und seinen geradezu phantastischen Geschichten nicht !

So wurde auch jetzt Artur von ihnen abgewiesen und musste bis nach Marokko reisen, um dort in Tanger im juedischen Glauben unterwiesen und schliesslich als Abraham Israel Ben-Rosh als Jude anerkannt zu werden.

Ben-Rosh gruendete in Porto eine juedische Wochenzeitung namens HALPID sowie eine Yeshiva (Religionsschule).

Lucien Wolf (1857 - 1930) jener Sohn eines boehmischen Vaters und einer sudetendeutschen Mutter -also irgendwie ein entfernter jedenfalls baugleicher Vetter von mir- wurde auf Ben Rosh aufmerksam.
Lucien galt uebrigens als deutschfreundlich, war Vertreter der juedischen Minderheiten bei den Vertraegen von Versailles, Mitglied zahlreicher juedischer Verbaende und wichtigster Vertrauensmann von Ben Rosh und seinem Anliegen.

Die Koepenikade lag darin, dass die Crypto-Juden im Norden Portugals in derartiger Abgeschiedenheit und Heimlichkeit lebten, dass sie im Laufe der jahrhunderte nahezu saemtliche (sichtbaren und verraeterischen) juedische Rituale abgelegt und sogar vergessen hatten !

Die Sorge um Leib & Leben, Hab & Gut, war ihnen derart in Fleisch und Blut uebergegangen, dass diese Juden auch die "Hilfe" von Ben Rosh beargwoehnten und zurueckwiesen.
Wen wundert's , dass die juedische Gemeinschaft in Lissabon, bestehend aus Mitgliedern aus Osteuropa und Marokko, ebensowenig von jenen "Glaubensbruedern" wissen noch hoeren wollte ?!

Ben Rosh unbeirrt gruendete in Porto im Jahr 1929 , in der Strasse Guerra Junqueiro, eine Synagoge:
MEKOR HAIM (Quelle des Lebens)


Finanziert wurde der Kauf des Grundstuecks von Baron Edmond de Rothschild(1845 - 1934)aus Paris, und der Bau dieser Synagoge von dem beruehmten irakischen Juden in Shanghai, Sir Elly Kadoorie (1867 - 1944).



Waren die Schwierigkeiten eines "Apostels der Juden" -wie man ihn bald nannte- schon schwierig genug, so sollten noch die giftigsten Ueberraschungen nicht lange auf sich warten lassen.

Zur damaligen Zeit naemlich erlebte Portugal seinen "Kulturkampf".
Immer brutaler -der Ausdruck ist leider gerechtfertigt- kaempfte die Kirche um ihre Pfruende, Privilegien, Schadensersatzforderungen (wegen zahlreicher Enteignungen) und Kontrolle ueber Staat und Menschen und andererseits kaempften die Liberalen, auch Freimaurer, mit genauso brutalen Mitteln -bishin zu Bombenattentaten in Fatima- fuer das was sie die Freiheit nannten.

Eine Missionierung fuer jede Religion, die nicht Staatsreligion war -also die katholische-, war polizeilich verboten.

Als die Behoerden damit allein gegen Ben Rosh nichts ausrichten konnten griffen sie tiefer, ganz tief, in die Trickkiste:

Was ist in Augen eines Katholiken Brit Milah ?



(Foto Laura Castro Caldes und Paulo Cintra)

Ein Sexualdelikt !
Da Ben Rosh die Uniform eines Offiziers Portugals trug und in seinen Gespraechen zu einer "Beruehrung von maennlichen Gemaechten" anregte wurde er wegen Verstosses gegen die Guten Sitten ("Moral") angezeigt wegen "bem e bem estar" verurteilt.
Etwa : "Zum Wohle und Gemeinfriedens"

Ben Rosh hatte verloren.
Seinen weiteren Lebensweg kenne ich nicht.
Auch bei seinem Todestag bin ich mir nicht sicher.

Was bleibt mir zu sagen ?
Einen wunderschoenen Gedenkspruch fand ich auf dem Grabstein von Elly Kadoorie:



(Shanghai Jewish Memorial)

Die wahre Gruft der Toten ist das Herz der Lebenden

Dreyfus und Ben Rosh leben !






Posted by Ralf at 3:50 PM BST
Updated: Wednesday, 12 July 2006 7:42 PM BST
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