Gedanken ueber Sinn und Zweck der Menschlichkeit
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Wednesday, 1 November 2006
Erinnerung an das Erdbeben 1755 in Lissabon
Ein Erdbeben zerstoert Lissabon an einem Samstagmorgen, Tag der Allerheiligen:

Das Erdbeben von Lissabon zerstoert insbesondere die "Unterstadt" (port: Baixa), jenen Stadtteil an den flachen Uferzonen des Flusses Tejo, der indes breit und weit ist wie ein Haff, und welcher auf Schwemmland gebaut ist.

Man muss sich Alt-Lissabon vorstellen wie eine arabische Bilderbuchstadt mit verwinkelten Gassen und Gaengen, mit stinkenden Abwaessern allenthalben und schummrigem Tageslicht zwischen altverfallenen Mauern.

Stadtplan Lissabons vor 1755

Entwurf Neubau von Eugenio dos Santos
 
Einzig das Hurenviertel Lissabons (rechtsliegend die Alfama) ist nicht zerstoert.
Die Priester haben sogleich kuriose  Erklaerungen parat.
Nur ein Staatssekretaer , Sebastião José de Carvalho e Mello, findet heraus, dass der Grund hierfuer in der Verwendung von Holzbalken im Grundgeruest der Gebaeudekonstruktionen zu suchen ist.
Die Huren in ihren billigen Holzbarracken hatten besser gebaut.

15 Jahre spaeter wird jener Staatssekretaer zum Markgrafen (Marques) nobilitiert und erlangt seine Beruehmtheit unter seinem Titel: Marques de Pombal

Wenngleich ich Pombal den 1.Herkules im Staate Portugal nennen moechte, und er der geistige Vater des Neuaufbaus Lissabons ist, weil es eben kein Wieder-aufbau war, moechte ich an dieser Stelle einmal an die anderen Baumeister erinnern, welche den Neubau Portugals in die Tat umsetzten.
 

Manuel da Maia (Erster Baumeister des Koenigreiches Portugal)

Manuel da Maia hatte profunde Kenntnisse ueber den Bau von Kanalnetzen und die Bewirtschaftung von Wasser.
In Neu-Lissabon wurden jetzt erstmals systematisch Kanaele angelegt.
Und Steinplatten statt Erdboden findet man auf Strassen & Wegen sogar in Geschaeften auf den Fussboeden muessen jetzt Steinplatten verlegt werden.

Die Eigentuemer der ehemaligen eingestuerzten Haeuser werden entschaedigt.
Die Eigentuemer der Neubauten muessen sich exakt an die Bauvorschriften halten, individuelle Sonderwuensche gibt es nicht.

Eugenio dos Santos, ("Leiter der Bauaufsicht"),
dessen Vater schon ein "Meister des Risikos" (mestre do risco) war.
 

Carlos Mardel (ungarischer "Baustatiker")

Mardel hatte in seinen Lehrjahren in Holland die Kunst der Bauweise mit Holzbalken fuer Fundamente und Statik von Gebaeuden erlernt (aehnlich der Fachwerkbauweise)
Mardel ist verantwortlich dafuer, dass man als Fundament in die Boeden ein Pfahlwerk aus Stieleichen- und Steineichen-Staemmen rammte.

Ludovico (deutscher Barockbaumeister)

Ludovico war fuer die Schoenheit, das Mass, den Goldenen Schnitt der neuen Bauprojekte verantwortlich.

Schnoerkel manirierte Manuelik war vorbei.
Jetzt wurde nach Vernunft als Gesetz und mit Schonheit als Zierde gebaut.
Der neue Baustil erhaelt den gebuehrenden Namen:

Pombalino
Der Pombalismus ist die Zeit der Aufklaerung in Portugal.

Erdbebensicheres Bauen sah folgendermassen aus:

 
Pombal liess also  Fachwerkhaeuser bauen.
Schnell, praktisch, erdbebensicher,  Pferdegetrampel getestet: gut.

GAIOLA (Vogelkaefig)-Technik
obrigado: OBVIOUS

Pombal erliess neue Strafgesetze fuer Pluenderungen.
Zur Finanzierung der neuen Polizeibehoerde erhob er eine Steuer von 4 %.
Mieten und Preise fuer Baumaterialien wurden festgelgt und kontrolliert.
Landflucht wurde verboten.

Portugal waere beinahe ein hochmodernes Land geworden.
Doch hatte Pombal die Rechnung ohne den langen Arm der Kirche gemacht.

Gravur, England, 1756
Koenig Luis I. von Portugal -rechts- fragt einen anglikanischen Priester -links- nach der Ursache des Erdbebens
Der Priester zeigt auf eine Autodafe  und sagt:
"Wer Menschen verbrennt provoziert den Goettlichen Zorn"

(Obrigado Nuno Guerreiro)

Ich empfehle meinen werten Lesern einen Besuch des Blogs von Nuno Guerreiro RUA DA JUDIARIA.
Die Uebersetzungsfunktion ins englische klappt zufriedenstellend.
Nunos Beitraege, wie hier ueber das Erdbeben Lissabons aus Sicht der juedischen Mitmenschen, sind schlichtweg lesens- und bedenkenswert.


Und auf seine Portugiesen war auch kein Verlass:
Pombal gilt noch heute -wie koennte es auch anders sein- als "umstritten"...

Die guten Architekten Portugals heutzutage...?... arbeiten sowieso im Ausland.

Die im Land verblieben, krallen sich und kleben fest an den Honigtoepfen der Politik, des Fussballs... sind wahre Meister im Integrieren, Erheischen von Enteignungsrechten von oeffentlichen oder privaten Filetgrundstuecken, schreren sich nie um ihre finanziellen Fehlplanungen, lassen sich vom Staat vorsorglich jegliche Haftung schriftlich ausschliessen, ihre eigenen hochgelobten Leistungen sind die Abschaffung von Blumenbeeten, das Zuplanieren wunderschoenen port. Kopfsteinpflaster s, einzigartige Mosaiken, Sitzbaenke fehlen, Spielflaechen fuer Kinder und vormals elegante Kuestenpromenaden werden zu oeden Beton & Asphalt- rennwege, wo keine Pflanze die Eintoenigkeit stoert.

Was heisst eigentlich "Marques de Pombal" auf deutsch ?
"Markgraf vom Taubenhaus"
 
Welch ein hintergruendiger Titel.....
 
-------------

Bildnachweis (mit vielen weiteren Ansichten des Erdbebens):
Earthquake Engeneering Online Archive
 
Augenzeuge berichtet in Pfennig Magazin von 1833  
 
 
Kleists Erdbeben in Chili (Theodizee Diskussion nach dem Erdbeben in Lissabon) von Tobias Bott - Danke !


Posted by Ralf at 4:02 PM GMT
Updated: Tuesday, 17 April 2007 1:45 PM BST
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