5. Oktober 1910 Portugal wird Republik !
Das war eine Revolution ganz nach original portugiesischer Art.
Etwa so wie man als Jungfrau zum Kind kommt.
Und alles wegen eines Deutschen !
Aber fangen wir mit der Erzaehlung vorne an:
Da sitzt er nun an seinem Schreibtisch, ein netter junger Kerl von gerademal 18 Jahren, und ehrlichgestanden haette ich auch nicht gewusst, wie es weitergehen soll im Staate Portugal.
Seinen Vater Koenig Carlos I. , den Kuensten, Wissenschaften und Frauen aber nicht dem Regieren zugetan, hat man soeben ermordet.
Seinen aelteren Bruder, den Kronprinzen, der immer davon sprach, wie er heldenhaft jeden Attentaeter hoechstselbst mit seinem Winchster Revolver erschiessen werde, hat sein Wort gehalten aber ist seinen eigenen Verletzungen erlegen.
Da sitzt er nun, Koenig Nr. 36 von Portugal und er wird der letzte sein.
Dom ("Hoheit") Manuel II. (1889 - 1932) , man wird ihn den ungluecklichen Patrioten nennen.
Er hatte bis jetzt sich nur fuer Fremdsprachen, fuer Geschichte und fuer Musik interessiert.
Man sieht ihm seine trostlose Stimmung an:
Die Nationahymne Portugals ist seit 1836 eine "Hymne auf die Konstituition"
Was soll man denn noch alles tun, um die Gemueter zu besaenftigen ?
Manuel II. tut sein Bestes, aber es herrscht im Land die Anarchie.
"Das Land" beginnt 20 km vor den Toren der Stadt Lissabon und nur 10 km vor den Toren der Stadt Porto in Nordportugal.
Dort im Land gehen scheinbar sogar die Uhren anders.....
Und das Volk ?
Das Volk ist das Geschwaetz von wem auch immer leid, schon lange traut es keinem der Luegner und Blutsauger mehr, gleich aus welchem politischen Lager .
ZÉ POVINHO ("Josef Voelkchen")
Im Land hatten die Terroristen, die sich damals
Carbonários ("Koehler") nannten, immer groesseren Zulauf.
Sie hatten den Koenigsmord auf dem Gewissen, den Tod des Kronprinzen zu verantworten, und nur um ein Haar haette Manuel II. selbst sein Leben verloren - er wurde nur am Arm verletzt.
Frieden und Versoehnung, das war sein Ziel.
Normalerweise laeuft es bei Portugiesen auf Versammlungen folgendermassen ab:
Alle sind lautstark dafuer und kurz darauf sind alle einstimmig dagegen.
Ein Portugiese will keine Verantwortung und scheut eine Entscheidung wie der Teufel das Weihwasser.
Wer seine Portugiesen kennt, weiss wie er mit ihren Protesten oder Jubelrufen umzugehen hat, und ist ihnen niemals ernsthaft boese.
So war es auch damals.
Alle Militaers waren Revolutionaere, wollten revolutionieren!
Sogar der Koenig selber waere lieber Revolutionaer gewesen wie alle seine Altersgenossen, bei den liberalen Freimaurern, bei den politischen Idealisten, Traeumern, Schwaermern oder anderen Weltverbesserern, die sich ueberall in Portugal in den Cafés trafen , um ihre Geheimsitzungen abzuhalten....
Und als die "Revolution" wie von den Militaers beschlossen und geplant losgehen sollte, erfuhr ihr Anfuehrer, dass urploetzlich niemand zur Stelle war.
Keiner war da - alle waren weg.
Der Anfuehrer Admiral Cândido dos Reis bekommt das Muffensausen und begeht vorsichtshalber Selbstmord !
Haette es nicht unseren Hitzkopf Antonio Machado gegeben, die Revolution haette garnicht erst stattgefunden.
Aber Antonio zieht heldenhaft mit 400 anderen furchtlosen Revoluzzern auf den Rossioplatz in Lissabon und alle errichten Barrikaden und machen Laerm und lassen es knallen.
Das muss man sich mal vorstellen ! Das erinnert an Don Quijote :
4.470 Soldaten & 3771 Polizisten marschieren auf !
Jetzt laufen die ranghoehren Mundhelden auf Seiten des Antonio Machado samt und sonders auf und davon.
Wer zurueckbleibt, sind die kleinen einfachen Soldaten.
Die Anfuehrer haben alle die Flucht ergriffen.
Antonio ist jetzt Kommandant.
Die Revolutionaere waren 400 jetzt sind es gerade mal eben noch: 200 Mann
8.241 bestens bewaffnete Soldaten gegen 200 Revolutionaere mit armseligen geklauten Handwaffen stehen sich ratlos gegenueber.
Da fuehlten die Koenigstreuen sicherlich Mitleid und mussten fuersorglich laecheln.
Sie hatten sich im Palácio Almada versammelt.
Dieser Palast hatte im Jahr 1640 schon einmal Beruehmtheit erlangt, als die Unabhaengigkeit Portugals von Spanien und die Errichtung der Monarchie unter dem Hause Bragança darin beschlossen wurde.
Jetzt galt es, fuer Ruhe und Ordnung zu sorgen.
Aergerlicherweise schien auch die Marine sich auf Seite der Revolutionaere gestellt zu haben.
Und das ganze Spektakel hatte eine unkontrollierbare Menschenmenge an Schaulustigen herbeigerufen und es musste nun endlich doch gehandelt werden....
Zum Glueck befand sich im Palácio Almada ein Deutscher anwesend, der sich auf besonderen Wunsch der versammelten Befehlshaber Paiva Couceiro (der Paladin) u.a. gern bereit erklaerte, als unparteiischer Vermittler zwischen den Fronten zu vermitteln.
Was machen die Kindskoepfe von Portugiesischen Obermilitaers und der deutsche Trottel jetzt ?
Weil der Deutsche ein Angsthase zu sein scheint, haengt man eine weisse Fahne aus dem Fenster !
8.241 Soldaten ergeben sich augenblicklich, denn man denkt irrtuemlich, dass die Oberste Heeresleitung die Kapitulation erklaert hat.
Das Volk jubelt, stuermt auf die Strasse.
Und alle Militaers rennen zu Antonio, dem Helden, wollen an seiner Seite gesehen werden, um spaeter sagen zu koennen, sie waeren dabei gewesen, einer der wenigen unbeugsamen, furchtlosen Helden und ploetzlich dutzt sich jeder....
Tagsdrauf, also heute am 5. 10. 1910, ist Portugal keine Monarchie mehr.
Nachtrag:
Der Koenig mit seiner Mutter segelt nach Gibraltar, lebt bis zu seinem Tod in England. Seine Oma, die Italienerin, reist auf Nimmerwiedersehen nach Italien ab.
Alles andere kann man hier auf portugiesisch nachlesen:
Quellen:
Na, ist das nicht eine nette Geschichte ?
Klingt fast so wie ein Grimm Maerchen das von den Sieben Schwaben.
Aber so hat es wirklich zugetragen, deshalb ist heute Feiertag .
Und deshalb goenne ich mir gleich einen heftigen Schluck guten portugiesischen Rotweins.
Viva Portugal ! Es lebe die Republik !
Busto da República
Bueste der Republik (mit phrygischer Zipfelmuetze a la Eugéne Delacroix)
von Simões de Almeida (1880 - 1950)
Jetzt darf man sich in Portugal scheiden lassen.
Jetzt sind religioese Orden abgeschafft, die Jesuiten verboten.
Jetzt gibt es keinen Religionsunterricht in Schulen mehr.
Jetzt sind Pfaffen ab sofort keine Beamte des Staates mehr.
und das wichtigste ueberhaupt:
Jetzt darf jeder streiken so oft, so viel und wann immer man will (offiziell gesetzlich erlaubt) !
Zuerst wird die neue Regierung von den Staaten Suedamerikas anerkannt.
Die USA und Mexiko und Ecuador warten ab (man will die europaeischen Monarchien nicht verstimmen)
Derweil zerbrechen sich die Portugiesen den Kopf, wie denn die neue Staatsflagge auszusehen habe.
Die aktuelle Flagge kennt jeder.
Erst als auch die neue Verfassung beschlossen ist, erkennt England und Resteuropa am 21.8.1911 das neue Portugal an.
Oh, Portugal, Du bist noch immer ein traumtaenzerisches Narrenschiff der Utopie!
Portugal, Du hast Dich nach so vielen Revolutionen & Regierungen, die folgten, bis heute im Grunde niemals veraendert.......
Wer Dich kennt, liebt Dich aber trotzdem !
So wie der letzte König Portugals
Bilder aus dem Leben
Königs Manuel II.
Posted by Ralf
at 10:00 PM BST
Updated: Monday, 9 July 2007 4:10 PM BST