Es war einmal ein deutscher Graf.
Weil deutsche Grafen entweder kaeuflich oder bestechlich sind, und sein Vater zur erstgenannten Gattung zaehlte und fuer englische Interessen kaempfte, ward er in England geboren und wurde selbst ein weiterer treuer Diener der deutschsprachigen Koenige fuer ausschliesslich englische Weltherrschaftsplaene.
England hatte sich fest vorgenommen, in Amerika, Indien und Asien die einzige europaeische Weltmacht zu werden, aber als kleines Inselvolk fehlten Soldaten und Nachschub ....da brauchte es dringend eine listenreiche Strategie...und da fiel den Englaendern ein, einfach allen englischen Widersachern in Europa Aerger untereinander und gegeneinander und damit Ablenkung beschaffen.
Zum Glueck gab´s die Preussen, ueberaus bestechlich und kurzsichtig, und so brauchte man nur wenig Anstacheln und mit Geld winken, und der Siebenjaehrige Krieg (1756 - 1763) konnte starten.
Bald gab es sowas wie einen kleinen Weltkrieg.
Spanien und Frankreich hatten ploetzlich alle Nachbarn am Hals
Und England´s Kalkuel begann, sich wie erhofft zu entwickeln.
Alle Nachbarn ?
Nein !
April 1762: Portugal ist bis jetzt seit 6 Jahren neutral geblieben.
Der spanische Koenig Karl III. (1716 - 1788) denkt sich, wo man doch im Jahr 1750 so schoen ueber die beiderseitige Grenze zwischen Brasilien und Uruguay sich hatte einigen koennen..... und kein vernuenftiger Mensch in Portugal und Spanien schon wieder einen Krieg fuehren moechte...... er braeuchte bloss bei seiner juengeren Schwester Maria Anne (1718 - 1780), die Ehefrau des Koenigs Portugals ist, mal anzuklopfen und ein paar ernste Worte zu reden.
Warum sich nicht dem Pacto de Familia (Familienpakt) anschliessen, zumal man doch alle irgendwie eine grosse Bourbonen Familie ist....
Der ueberaus kluge, weitsichtige Marquês de Pombal in Portugal ruft sofort in England um Hilfe !
Mai 1762 : Karl III. befiehlt indessen den Einmarsch nach Portugal, aber vermutlich weil er seine kleine Schwester nicht erschrecken moechte, besetzt nur den vollkommen hinterwaelderischen Norden Portugals.
Er haette besser schnurstracks nach Lissabon eilen und die Hauptstadt erobern sollen !
Karl III hofft vermutlich insgeheim, England bis auf die Knochen erschrocken zu haben und zumindest ein Loesegeld fuer die Raeumung Portugals erpressen zu koennen.
Aber England schickt den Grafen Lippe
Und mit ihm 8.000 englische Elitesoldaten.
Und der Graf bringt hochqualifizierte deutsche Offiziere mit:
Den Johann Heinrich Boehm, Spezialist fuer Festungsbau -und spaeter Begruender des Militaers Brasiliens-, den Jakob Funck und seinen Verwandten Graf Oeynhausen- der katholisch werden wird, um eine Portugiesin zu heiraten- oder den Johann Benediktus Kasper Giffenig, der auch Stammesvater einer Sippschaft Portugals werden wird.
Auch John Hunter (1728 - 1793) kommt nach Portugal.
Seine Arbeit als Militaerarzt wird durch seine angeschlagene Gesundheit beeintraechtigt. Durch seine Beobachtungen in Frankreich- verwundete Soldaten hatten sich versteckt und ihre Schussverletzung war verheilt- ordnet er an, dass bei Schussverletzungen an der Wunde nicht mit Messern hantiert werden darf, um das Gewebe nicht unnoetig zu zerstoeren und eine Amputierung erst dadurch notwendig zu machen.
In Portugal entdeckt John Hunter sein Interesse an Versteinerungen, die man im Alentejo an vielen Orten im Sandgestein antrifft.
Juni 1762 : Graf Lippe trifft in Portugal ein und uebernimmt das Oberkommando der vereinten portugiesisch-englischen Truppen.
Es war wie heute, wenn englische Elitetruppen nach Afghanistan abkommandiert werden !
Die erbaermlichen Zustaende in Portugal sind unbeschreiblich:
Die portugiesischen Soldaten stinken !
Schuld ist das Seifenmonopol der portugiesischen Koenige, welches die Seifenherstellung verbietet. Seife in Portugal ist Luxus fuer die Reichen.
Pombal wird dieses Monopol erst 1765 abschaffen.....
Portugiesische Soldaten sind bettelarm !
In einer Hand einen Rosenkranz, in der anderen den lumpigen Bettelhut...so muessen sie alle wegen der unpuenktlichen Soldzahlungen ihr Leben fristen.
Oder stehlen.
Portugiesische Soldaten sind unerfahren !
Kein Soldat hat jemals zuvor eine Waffe gesehen, weil es in ganz Portugal keine einzige Schmiede gibt. Der Methuen Vertrag (1702) verbietet Neugruendungen und Schlosserwerkstaetten waeren in Portugal neu & hypermodern und sind deshalb verboten.
Pombal wird die ersten Schlossereien erst 1765 gruenden......
Portugiesische Soldaten haben keine Uniformen !
Es fehlen Webereien, Knoepfe, Faeden, Schuster, und wer eine Uniform besitzt, verkauft sie fuer teuer Geld !
nach den Reformen des Grafen Lippe
Das wichtigste ist sein Verstand !
Und ploetzlich ist der ganze Krieg zu Ende !
Februar 1763: Der Siebenjaehrige Krieg hat seinen Dienst erfuellt, England feiert die Einnahme von Portobelo und die erlangte englische Vorherrschaft im Welthandel (Frieden von Paris)
Der Siebenjaehrige Krieg wird deshalb ein paar Tage spaeter -im Wesentlichen ergebnislos fuer alle Beteiligten- fuer beendet erklaert.
Bessergesagt: England stellt die Zahlungen ein.
Fuer England hat sich das Unternehmen in jeder Hinsicht gelohnt.
(Warum hatten eigentlichen die Tuerken trotz franzoesischer Bestechungsgelder nicht eingegriffen ?)
Die Verluste:
in Elvas
Forte de Nossa Senhora da Graça
(Festung der Unseren Dame der Gnade)
Dann begibt sich Graf Lippe an seine schwierigste Aufgabe:
Portugiesische Offiziere wollen nicht lesen und schreiben koennen, weil sie ja Adlige sind !
Graf Lippe ordnet deshalb an, dass einfache Soldaten schreiben und lesen lernen, damit sie Unter-Offiziere werden koennen.
Und er sich dann auf sie verlassen kann.
Bildung wichtiger als Herkunft !
Die Adligen schaeumen vor Wut.
Portugiesische Offiziere leben in Saus und Braus !
Sie sind ja "Offiziere", haben also bloss ein gewichtiges Oficio (Amt) zu bekleiden. Von Exerzieren keine Rede.....
Saemtliche Hausdiener, die criadas (Zoeglinge) der adligen Herren, begleiten die Truppe und sind offiziell hochrangige kostspielige Adjutanten.
Graf Lippe streicht den Adligen den Hofstaat auf Staatskosten
Portugiesische Offiziere haben von militaerischen Dingen keinen Schimmer einer Ahnung.
Graf Lippe fuehrt Akademien fuer Fuehrungsoffiziere ein.
Seine Devise:
Ahnungslosigkeit laesst sich nicht mit eitler Einbildung
oder fixen Ideen voller Leichtsinn ersetzen.
Erfahrung ohne genaue Kenntnis der Theorie ist wertlos
Adlige Feudalherren muessen die Schulbank druecken !
So was hat die Welt noch nicht gesehen !
Die Wut auf Pombal, den Koenig und die respektlosen Auslaender ist bald grenzenlos.
Portugiesische Truppenfuehrer schieben alle Verantwortung immer auf die Hoehergestellten.
Graf Lippe ordnet an, dass jeder Truppenfuehrer fuer seine Truppe allein verantwortlich ist.
Portugiesische Soldaten sind immer unpuenktlich und geben Widerworte !
Graf Lippe fuehrt die Pruegelstrafe ein.
In Brasilien, wo die Reformen ja auch gelten, werden spaeter die Degenhiebe (chibatadas) zwar nicht abgeschafft aber mit extra weichen besonders zu diesem Zweck hergestellten Degen abgemildert.
Wachposten muessen sich stuendlich zurufen:
Wachposten wachsam ?
der naechste Posten muss durch die Dunkelheit antworten:
Ja, ich bin wachsam !
Graf Lippe ist Protestant.
Erst ein Jahr vor seiner Ankunft wurde in Lissabon erstmals ein evangelischer Gottesdienst abgehalten.
Und durch Baron von Rieppe wird in Elvas eine Freimaurerloge gegruendet.
Uebrigens ist auch Graf Lippe Freimaurer.
Ein Regiment heisst ab sofort nicht mehr terço (Rosenkranz) sondern Regimento !
Die Soldaten erhalten einen
- Tauglichkeitstest,
- Gesundheitsfuersorge,
- einen Militaerarzt,
- mehr Sold
- militaerisches Training
- Ausbildung in Sachkunde
-der Neid wegen der Traumgehaelter der englischen Soldaten haette fast zur Meueterei gefuehrt-
Die neue Kleidung macht was her...allerdings wird das Tragen dieser Uniformen von zivilen Personen unter Strafe gestellt.
Diebstahl lohnt sich nicht mehr.
Ausserdem werden Rekrutierungen ab sofort gleichmaessig im ganzen Land organisiert und rechtlich geregelt.
Und eine Steuer von 10 % fuer alle wird auch bei Adligen und kirchlichen Wuerdentraegern zur Finanzierung der Truppe erhoben.
Am 6. Juni 1764 laesst Graf Lippe ein Wunder geschehen !
Noch nie im Leben haben die Buerger von Lissabon auf ihren Strassen etwas aehnliches gesehen:
marschieren im Gleichschritt durch Lissabon !
Die Frage, ob Soldaten eine Allgemeinbildung brauchen oder nur zu Gehorsam erzogen werden duerfen, wird in Portugal seit Graf Lippe aeusserst kontrovers diskutiert.
Heftige Diskussionen habe ich selbst schon zu diesem Thema mit Militaers gefuehrt.
Der Soldat muss nur seinen Vorgesetzten fuerchten !
Das ist noch immer heute die herrschende Auffassung der militaerischen Elite Portugals.
Keine Ahnung von Bluechers Menschenfuehrung.
Auch Graf Lippe konnte eben nicht alles umkrempeln....
Ein Englaender schreibt ihm neidvoll folgende Bemerkung :
de ser Alteza em Portugal
in Portugal eine Hoheit zu sein
Es kam schliesslich wie es zu erwarten war.
Kaum waren Pombal, die Spanier, die Englaender und Graf Lippe wieder fort aus Portugal, begann der grosse Rachefeldzug der entthronten Adligen gegen den aufstrebenden Mittelstand der kleinen aber gut ausgebildeten Soldaten !
Seither gelten wieder byzantinische Hierarchien, wie frueher und wie ueberall sonst auch in der Gesellschaft Portugals.
Abgesehen nur von der Zeit unter Salazar.
Was ist noch von den Reformen und Befehlen des Graf Lippe, einem Buch mit 27 Kapiteln, uebrig geblieben ?
Nicht viel !
Aber wenigstens ein lukullisches Volksfest in Lagos an der Algarve.
Dort hatte Graf Lippe- waehrend der Baumassnahmen an der dortigen Festung- seinen Soldaten befohlen, sich ihr Abendbrot gefaelligst selber am Strand aus dem Meer zu fischen........ und seitdem heissen die Dreiecksmuscheln nicht wie sonst in Portugal conquilhas sondern in Erinnerung an unseren Grafen:
Ueber was sonst noch von Graf Lippe und seinen Reformen uebrig geblieben ist, fragen wir besser bei Gelegenheit einen Soldaten.....
Am besten ehemalige Soldaten in den Kolonialkriegen !