Gedanken ueber Sinn und Zweck der Menschlichkeit
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Thursday, 10 May 2007
Ein lammfrommer Volkskoenig (Portugal) & ein fuchscleverer Aristokratenkoenig (England) schliessen einen Vertrag (1386)

9.5.1386 , der aelteste Buendnisvertrag der neueren Geschichte Europas, der Vertrag von Windsor (Tratado de Windsor), ist fuer viele Portugiesen noch heute gueltig und von fundamentaler Bedeutung fuer das nationale Selbstverstaendnis.

Waehrend die Basken, ein Volk mit eigener Sprache, Kultur und Geschichte, obendrein als Zentrum von Arbeitsfleiss und Reichtum, den sie grossenteils an Spanien abfuehren muessen als waeren es Tributzahlungen.... waehrend das Volk der Basken noch heute auf seine Unabhaengigkeit vergeblich wartet, gelang es einem treulosen Verwandten des Burgundischen Koenigs von Kastilien bereits im Jahr 1128 sich mit den von ihm verwalteten Laendereien erfolgreich loszusagen.

Wie war das moeglich ?

Beginnen wir am Anfang:


Portugal omnis est divisa in zwei Teile, deren oberer die Galizier (Galaicos) bewohnen und deren unterer die Lusitaner (Lusitanos).
Hier unterscheiden sie sich in vielerlei Hinsicht:

1. Der Nordportugiese (Suedgrenze in Hoehe von Coimbra) ist ein liebenswerter Trotzkopf, Eigentuemer von kleinsten Landflaechen, die immerhin soviel Ersparnisse bringen, dass die juengeren Soehne die Auswanderung bezahlen koennen.
Der Nordportugiese hat durch seinen Fleiss, seine Bestaendigkeit und sein Geschick den Ruhm des portugiesischen Gastarbeiters im Ausland begruendet.
Arbeitsagenturen suchen nur Leute aus dem Norden.

2. Der Suedportugiese ist ein verklaerter Traeumer, landloser Knecht auf Latifundien, zu arm um auszuwandern, man sagt ihm Bequemlichkeit nach, Kadergehorsam vor der Obrigkeit und Feigheit vor dem Feind (z.B. im 1. Weltkrieg).
Judenpogrome sind sein Werk, staendige Unzufriedenheit und Streikbereitschaft gegen Arbeitgeber sind seine Tagesordnung und stalinistischen Erzkommunisten in Partei oder Gewerkschaft wuerde er am liebsten die Fuesse kuessen.
Was im Norden erarbeitet wird, verprasst (verwaltet) Lissabon sinnlos.
Bloss keine Gastarbeiter aus dem Sueden Portugals !

Aus diesen beiden Teilen besteht Portugal.
Portugal ist keine Nation.
Portugal ist ein Produkt. Reden wir ueber die Faktoren:

 Bildquelle

1128 werden aus spanischen Grossgrundbesitzern und aus dem Sohn der Koenigin Kastiliens in Nordportugal: Portugiesen.

Der Fluss Minho, der einst das Volk der Galicier einte ist fortan seither eine Landesgrenze.
Der Aufstand gelingt, weil Papst Alexander III. eine treu ergebene Schachfigur benoetigt, weil der Templerorden sich zwar von beiden Seiten bestechen laesst, aber neutral bleibt, weil den Bischof von Braga die pfiffige Geschaeftsidee Santiago de Compostela seines Konkurrenten in Galicien wuetend macht und vorallem, weil ein juedischer Finanzier (Yahia Ben Yahi III.) das Unterfangen gutheisst:
Die Schlacht von Mamede 1128.

So ist Portugal kuenstlich entstanden, fast so wie der Staat Singapur.

Jeder Handelskaufmann, der mit seinen italienischen Wettbewerbern nichts zu schaffen hat, braucht Portugal als Clearingstelle.
Die Juden in Portugal, schon seit Urzeiten auf der Iberischen Halbinsel zu Hause, aus England seit 1290 vertrieben, erleben hier in Portugal den Genuss von Freiheit und Entfaltung.

Die Grossgrundbesitzer in Portugal wuenschen sich bald die gute alte Zeit zurueck, als sie noch unwidersprochene Feudalherren waren, ohne von den frechen Kaufleuten und ihren Krediten abhaengig zu sein.
Ihre Grosslaendereien hatten sie einst als Kriegsbeute von Arabern erobert oder vom damaligen Koenig als Dank erhalten.
Ein starker Staat bzw. Koenig oder eine Leistungsgesellschaft sind ihnen ein Graus.

Leider macht ihnen die Pest einen Strich durch die Rechnung.
Nicht nur, dass die Pest viele Menschen toetet, nein, auch die Ueberlebenden glauben, durch ploetzliche Erbschaften besonders reich zu sein und bleiben in ihren Betten.
Es gibt bald keine Ernten, keine Waren und der Preisanstieg (bzw. Geldwertverfall seit 1369 bis 1373) ist gewaltig.
Das Volk leidet an Hunger.

Der Koenig Portugals, D. Fernando I. (1345 - 1383) erlaesst das Gesetz der Sesmarias , so eine Art Erbhofgesetz mit Warnung:
Wer sein Feld brach liegen laesst wird enteignet.

Portugals Kaufleute haben bereits seit dem 10. Mai 1293 eine

Bolsa dos mercadores
(Boerse der Kaufleute)

eine der ersten Warenboersen der Welt  !

Koenig Ferdinand  gewaehrt das  Privileg, dass auf dieser Boerse, vermutlich ein Café, wo es guten arabischen  Kaffee zu trinken gibt, auch eine Schiffsversicherung  abgehalten wird.  Das Unternehmen nennt sich:
Companhia das Naus
Gesellschaft der Grosschiffe
 
Die erste offene Schiffsversicherungs Gesellschaft der Welt !
 
Von solchen modernen privatrechtlichen Firmen und erstrecht von einem Lloyds of London , bloss Abklatsch des portugiesischen Originals, koennen die Englaender damals noch nichteinmal traeumen !
  
Innenpolitisch durch schwach legitimierte Hochzeit vom Volk beargwoehnt, laviert Ferdinand aussenpolitisch gegenueber Erzfeind Kastilien und gegenueber den Gegenpaesten Urban VI.(1318 - 1389) und Clemens VII. hilflos hin-und-her, sucht leichtsinnig Streit und erleidet Misserfolge, bis er schliesslich Rueckendeckung erbittet bei seinem Berufskollegen in England, dem es eigentlich selbst auch nicht viel besser geht und der seinerseits dringend Streithelfer gegen 100 Jahre Feind Frankreich und dessen Verbuendeten Spanien noetig hat.
Ausserdem gibt es da noch die Erbansprueche des John of Gaunt auf den Thron Kastiliens von Schwiegerpapa.
Englands Koenig Edward of Woodstock (1330 - 1376) und sein Onkel John of Gaunt sind ab sofort, mehr denn je, Freunde Portugals.....
 
Kaum ist der (erste) portugiesisch-englische Freundschaftsvertrag und mit Kastilien der Frieden von Santarem Paz de Santarém im Jahr 1373 unterzeichnet, hat Ferdinand ploetzlich Geld in Huelle und Fuelle zum Bauen  von Stadtmauern !
Vermutlich sind es die juedischen Kaufleute mit Verbindung nach dem goldreichen Timbuktu, die das Wunder bewirken......

1380, D. João Fernandez Damdeiro bemueht sich in England enorm, die Tochter Beatrix des portugiesischen Koenigs jemanden in England als Ehefrau zu empfehlen.
John of Gaunt (1340 - 1399) hat noch keine Lust und andere Sorgen, namentlich in Schottland.

Dafuer kommt sein kleiner Bruder Edmund Earl of Cambridge (1341 - 1402) mit 1000 Geharnischten und 1000 Bogenschuetzen nach Lissabon, diese benehmen sich wie Hooligans, verteidigen Lissabon gegen Spanien aber ziehen auf Kriegsbeute gegen Spanien auf eigene Faust aus und als 1382 die Entscheidungsschlacht eroeffnet werden soll, schliesst Portugal heimlich mit Kastilien Frieden und die Ehe mit Edmund wird vom Papst anulliert und die Beatrix dem Spanier uebergeben.
Armer Edmund, ihn haben die Englaender sicherlich ausgelacht ! 
 
Aber Portugals Koenig Ferdinand stirbt und seine Witwe, die Thronerbin, verliebt sich ausgerechnet in einen Spanier, wohin ja bereits Tochter Beatrix, die kuenftige Thronerbin erfolgreich verheiratet ist.
 
Das sind scheussliche Aussichten fuer die Mitglieder der Bolsa dos mercadores, die in Lissabon, Evora, Coimbra und Porto ihre Niederlassungen haben. In diesen Staedten wuenschen die Menschen keine spanischen Herren.

Sofort wird 1383, nach nur sechs Wochen, die Witwe gestuerzt und ein unehelicher Sohn des Koenigs, von dem Christusorden zu religioeser Schwaermerei und insofern zu Berechenbarkeit erzogen der D. João I. (1357 - 1433), der Johann von Avis, zwar nicht zum Koenig, dafuer aber zum Verwalter & Verteidiger des Koenigreiches erklaert (regedor e defensor do reino).

1385 kommen endlich trainiert und bestens ausgeruestet die Soldaten Spaniens den Grossgrundbesitzern Portugals und der koeniglichen Witwe mit ihrem Liebhaber zu Hilfe...... sie werden jedoch nicht nur von englischen Kraehenfuessen und englischen und deutschen Soeldnern ueberrascht, sondern auch von einer zornigen Bevoelkerung.
Eine Baeckerin erschlaegt eigenhaendig 7 Soldaten mit ihrer Baeckerschaufel und wird eine Beruehmtheit.
In Aljubarrota siegt ein unehelicher Koenigssohn, den die Koenigin hasst und einsperren liess, deshalb kann er sich auf die ihm freundlich gesinnte Stimmung im Volk berufen, einen Sieg vorweisen, die Ordensritter und sogar die Kaufleute moegen ihn....João I. ist ein Volkskoenig !

Zum Koenig ausgerufen (in Portugal gibt es die Proklamation statt einer Kroenung) kommt ihm alles wie ein goettliches Wunder vor.

In England wirkt bereits John Wyclif (1330 - 1384) und der Schacher und die Schamlosigkeit der Katholiken werden allerorten angeprangert und der bestaendige Geldabfluss nach Rom ist den verstaendigen Volkswirten ein Dorn im Auge.

In Portugal zur selben Zeit herrscht im Denken allertiefst katholisch finstere Umnachtung.
Anders als in England, wo Beda Venerablilis (673 - 735)
aehnlichen Unsinn schrieb, befindet sich Portugal noch auf eben dieser Stufe.
Die Gegensaetze koennten groesser garnicht sein !

Fernão Lopes (1380 - 1459)
 
Dieser Chronist und Moechtegern-Ovid erklaert den Portugiesen,
dass sie in einem Himmelreich auf Erden leben.
 
Seine Weltchronik laesst wissen: 
 

A primeira foi des Adam atta Noe, em que passarom mill e seis çemtos e çimquoemta e seis anos; na quall se comteverom dez geeraçoões, e pereçeo toda per deluvio.

A segumda foi des Noe ataa Abrão, cujo espaço foi de duzentos e noveemta e seis anos, na quall ouve outras dez geeraçõoes.

A terceira de Abraão ataa David, em que forom quatorze geerações, e durou noveçemtos e quoremta annos.

A quarta des David ataa o trespassamento de Babilonia, em que ouve outras quatorze geerações e durou trezemtos e seteemta e tres anos.

A quimta foi [des o trespassamento de Babilonia] ataa viimda do Sallvador, que comteve em ssi quatorze geeraçõoes, e forom os annos della, quinhemtos e oiteemta e nove.

A sexta em que ora amdamos, que ha mill e quatro çemtos e quareemta e tres que dura, nom tem çertidom per annos nem comto de geeraçõoes, mas cuida alguus que fara fim, quamdo sse acabar o segre ; o qual dizem que ha de durar seis mill anos, de que ja seriam passado per esta guisa, çimquo mill e duzemtos e noveemta e sete; e assi ficavom pera se acabar o mumdo, seteçentos e tres annos. (349-350)

Die 7 Zeitalter der Erde

1. Von Adam bis Noah vergingen 1.656 Jahre, 10 Generationen   bis zur Sintflut

2. Von Noah bis Abraham vergingen 296 Jahre, weitere 10 Generationen

3. Von Abraham bis David gab es 14 Generationen und dauerte 940 Jahre

4. Von David bis zum Auszug aus Babylonien, 14 Generationen und 373 Jahre lang

5. Vom Auszug bis zum Kommen des Heilands vergingen weitere 589 Jahre und 14 Generationen 

6. In diesem Zeitalter befinden wir uns seit 1443 Jahren, es ist zeitlos an Jahren und zahllos an Generationen, aber wenn.......(?) Es heisst, dieses wird 6000 Jahre dauern, wovon bereits 5297 Jahre vergangen sind und demnach noch 703 Jahre bis zum Weltende uebrig sind.

Fernão Lopes laesst die Portugiesen wissen, dass wie Gott am 7. Tage in himmlischer Zufriedenheit ruhte, Portugal auserkoren wurde, das 7. Weltzeitalter in himmlischer Gnade zu erleben.

Es kann kein Zweifel bestehen, Portugal ist das Himmelreich auf Erden !
Alle Portugiesen werden bald wie in einem Schlaraffenland leben !

Alle goettlichen Zeichen der Vorhersehung sind eingetroffen, sogar die Zahlen (gemeint die Anzahl der Soldaten auf den Schlachtfeldern)  entsprechen goettlicher Bestimmung zu Gunsten Portugals.

Koenig João I. wird in logischer Konsequenz im Jahr 1422 beginnen, die roemische Zeitrechnung auf die Jahresangaben seit Christi Geburt umzustellen !

Aber vorerst will er seinen Erzfeinden neuen und endgueltigen Aerger bereiten und schickt Afonso de Albuquerque und Lourenço Fogaça als Botschafter nach London, um diesmal vorzuschlagen, dass John mit Hilfe Portugals seine Ansprueche in Kastilien durchsetzen solle....

England jubelt !
Im Nu werden vom Parlament die Geldzahlungen bewilligt.
Sogar der Papst Urban VI. in Rom jubelt und stellt fuer saemtliche englischen Krieger Freibriefe sog. Absolutionsbullen aus.......
Spanien-Kastilien hatte sich ja auf Seiten des Gegenpapstes gestellt.

Fuer die Ueberfahrt von 20.000 Soldaten und John of Gaunt mit Gemahlin schickt Portugal 16 praechtige Schiffe.
Endlich ist er weg, der gefaehrliche John, wird sich Edward gedacht haben...

In Coruna angekommen liegt den Englaendern bald ganz Galicien zu Fuessen und es wird ein angenehmes Winterqartier aufgeschlagen.

Koenig João I. vor lauter Begeisterung und voreiligem Siegestaumel heiratet sofort im Februar 1387 die aelteste Tochter dieses John of Gaunt, Philippa, Tochter aus erster Ehe !

Der Ausgang dieses Krieges ?
Von einer Seuche befallen und militaerisch geschlagen, erhalten die Englaender von Spaniens Koenig Juan gnadenweise die Erlaubnis, sich nach Hause zu begeben.

Juan war uebrigens schlau: Sein Sohn heiratete einfach die Tochter von John und der Frieden war hergestellt und ein huebsches Suemmchen gab´s noch obendrauf.....

Haben meine werte Leser bemerkt, dass der Buendnisvertrag von Windsor in 1386, der in portugiesischen Geschichtsbuechern wie ein epochales Ereignis gefeiert wird, nichts weiter als ein nuetzlicher Schachzug Englands war ?
Vermutlich bloss eine Idee des geschaeftstuechtigen und weitsichtigen Wollhaendlers und engster Berater des englischen Koenigs Michael de la Pole (1330 - 1389)

Beide sollten allerdings fuer diese Politik bereits 1387 an der Radcot Bridge von einigen englischen Dummkoepfen Pruegel beziehen. 

Was die Lords Appelant genauso wenig begriffen hatten wie die Portugiesen, sind die fuer Englands Weltherrschafts Anspruch ueberaus vorteilhaften Konsequenzen der bisherigen Politik:

  • Erzfeind Papst ist Freund geworden
  • Erzfeind Frankreich verliert Spanien als Buendnispartner und schliesst Frieden
  • Toelpel Portugal dient den Interessen Englands in Europa fortan wie die Joker Karte im Aermel....

Portugal behielt das Himmelreich und portugiesische Kirchen den englischen Ritus........

__________

Quellen:

1. Geschichte von England 

2. O sentido providencial da "firme paz" luso-inglesa na Cronica de D. João I. de Fernão Lopes

3. Blogeintrag v. 17.5. bei NORTEAMOS (José Silva) 

4. Blogeintrag v. 17.5. bei GALLAECIA 


Posted by Ralf at 7:14 PM BST
Updated: Friday, 29 June 2007 4:52 PM BST
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