Inquisition (Portugal) vs. Antonio Jose da Silva (Dramaturg)
Heute am 18. Oktober 1739 wird in Lissabon nach Abschluss eines langwierigen Verfahrens das Todesurteil vollstreckt:
Auszug aus dem Original
Die Anschuldigung der kirchlichen Klaeger und Urteilsbegruendung der weltlichen Richter nennt das Verbrechen :
"convicto, negativo, relapso"
(Ueberzeugungstaeter, Verneiner, Rueckgefallener)
António José da Silva, den alle den "Juden" nannten (o judeu), hat dann doch noch gestanden, das ersparte ihm, bei lebendigem Leib verbrannt zu werden.
Welch eine Gnade !
Man hat ihn zuerst erwuergt mit einem Stauschlauch (garrote), dann erst ins Feuer geworfen.
"Die Strafschuld am Fleisch eingetrieben" (port. relaxado em carne) nannte man das.
Auto-de-Fe heisst seither dieses Ritual aus Portugal und Spanien, eine "
Massnahme des Glaubens", und auf die Herkunft dieses Wortes duerfen sich Portugiesen was einbilden !
Autodafé (deutsche Schreibweise): Wort und Leid sind portugiesisch.
Es war damals nicht "verboten", ein Jude zu sein ! (Wenn man Auslaender war)
Die Inquisition als Organ des Papstes & Kirche und Hand in Hand mit den portugiesischen Koenigen zwischen den Jahren 1531 - 1821 haben "nur" die Haeretiker ("die selber ihren Glauben waehlen") und die heimlichen Juden (Cryptojudeus), die im Land als Katholiken, als vereinheitlichte (wir wuerden heute sagen: zwangsintegrierte) Staatsbuerger wohnhaft waren auf der Abschussliste.
Dem Alcaiden (port. aus arabisch: Gerichtsdiener), dem Henker und dem Koenig fielen das Vermoegen des Verurteilten zu.
Beweisantraege gab es keine. Ueberpruefung auf Schluessigkeit der Vorwuerfe auch nicht.
Nur Zeugenaussagen galten, denn Zeugen kann man kaufen, und Zeugenaussagen blieben grundsaetzlich unwidersprochen.
Schon in Brasilien hatte man die Familie von António im Visier:
Der Vater João Mendes da Silva und saemtliche Familienangehoerigen waren angesehene Anwaelte, Aerzte, Kaufleute, wohlhabende Leute, ueber aller Kritik erhaben.
Wer Jude war, bessergesagt wer einen juedischen entfernten Verwandten hatte, aber seit Geburt getauft seit Generationen katholisch, der musste vorsichtshalber besonders artig und moeglichst fuer alle Nachbarn sichtbar, besonders inbruenstig katholisches Getue mimen, Schweinespeck braten und stinken lassen, die Messe besuchen usw.
Ein Hauptbelastungszeuge fuer ein Verfahren gegen Antónios Eltern war trotzdem bald gefunden:
eine brasilianische Hausangestellte, bessergesagt Sklavin, die behauptete, Antónios Mutter Lourença Coutinho wuerde immer nur freitags ihren Hausputz erledigen lassen - Samstags waere fuer die Familie ein Ruhetag.
António ist acht Jahre alt, die Mutter muss nach Lissabon vors Inquisitionsgericht und die Familie zieht um nach Portugal-Kontinent.
Antonio erfaehrt wohl erstmals, was es mit der Familiengeschichte geheimnisvolles aufsich hat: Seine Grosseltern hatten sich vor ihrer Ausreise nach Rio de Janeiro taufen lassen......
António wird rueckblickend diese Zeit der Aengste folgendermassen in einer seiner "
Opera" (
Werke) beschreiben:
Du Gewaltherrschaft der Verleumdung
hast mir geraubt und hast mir fortgenommen
was das Beste meiner Seele war
Wehe dem, der fuehlt
wie etwas einem an Gutem fehlt
einen drueckenden Schmerz
António und seine drei Brueder leben ohne ihre Mutter.
Als sie schliesslich doch freikommt und die Familie wieder vereint ist, bleibt gleichwohl das Gluecklichsein getruebt.
Antonio beschreibt es mit den Worten:
In den Wirren der Angst was man an Gutem verliert
sich vereint man niemals wieder
selbst wenn man es wiederfindet
Mit 21 Jahren beginnt António sein Jurastudium in Coimbra.
Einen seiner Kommilitonen muss ich hier erwaehnen:
Francisco, der sich gern Chevalier d´Oliveira nennen wird, war tatsaechlich Profess des Christusordens, Sohn und Erbe des Postens eines Botschaftssekretaers an der Botschaft zu Wien, den er aber nie antreten durfte, also wollte er als hauptberuflicher Dichter leben, haette beinahe eine Deutsche geheiratet , ging nicht, er floh nach Holland, war naemlich arm wie eine Kirchenmaus, kam bis nach England und dort trifft er einen Landesgenossen, dem die Texte wertvoll erscheinen, es sind Texte ueber die unbekannten inneren Werte Portugals, Anklagetexte gegen die Inquisition, Texte fuer die Freiheit:
Sein Beschuetzer ist noch kleiner Botschaftssekretaer, der zukuenftige Minister Marques de Pombal (Anm: Erster Herkules im Staate Portugals).
Aber zurueck- wir befinden uns in einer Studentenbude in Coimbra:
António hat in Francisco einen Freund gefunden, mit welchem er seine Ideale teilt, und mit weiteren Gleichgesinnten gruenden sie einen Dichterclub.
Einmal nehmen sie sich ein Buch vor, das den Judaismus verschmaeht und machen sich lustig, fuehren die Absurditaet der katholischen Sichtweise vor Augen zum allseitigen Gelaechter der Zuhoerer.
Die Inquisition hat darueber Kenntnis erhalten.
Am 8.8.1726 werden er und wieder seine Mutter verhaftet.
Als man ihm die Taschen durchsucht, so ist ueberliefert, und man ihn nach seiner Religion fragt, antwortet er -nicht ahnend in welcher Gefahr er sich befindet- noch immer witzelnd:
"ich gehe immer in die Kirche, um alle Welt zu gruessen"
Antonio findet sich in einem Kerker wieder.
Er soll genaue Angaben machen ueber alle Menschen, die er kennt und die dem Gesetz des Moses froehnen, seien sie tot oder lebendig, mit ihm verwandt oder nicht.
Wunschgemaess faellt ihm auch eine laengst verstorbene Tante ein, die habe immer so raetselhaft von einem "Grossen Tag" gesprochen.....
Reicht aber nicht. Nur eine denunzierte Person reicht nicht zum Freispruch !
Daraufhin "denunziert" Antonio alles und jeden in seiner Familie.
Es sei eine geheime Parole innerhalb der Familie gewesen zu fragen: "Machts Du auch Fasten am Grossen Tag ?"
Die Richter fuehlen sich verschaukelt werden jaehzornig:
"Lueckenhaft und heruntergespielt" waeren seine Aussagen.
Da man weitere Aussagen ueber seine Mutter vermisse, wuerde er der Folter uebergeben.
Die Folter ueberlebt Antonio, sprachlos vor Schmerzen und wegen seiner Schreie.
"Oh G´tt (original port: D´us), wenn du gerecht bist, wie kamst du dazu, heute gar wie ein Tuyrann diesen armseligen Unschuldigen zu zuechtigen ?"
hoert man ihn beten, hat er etwa D´us gesagt statt Deus , typisch nach Judenart......?
Antonio schwoert alles bei Allem was man ihm zu schwoeren befiehlt -
und.....wird freigesprochen
Drei Jahre lang muss er noch um die Freilassung auch seiner Mutter bangen, meidet die Menschen, laesst sich nur in Kirchen blicken, betet...
Drei Jahre - nach drei Jahren ist auch seine Mutter frei.
Fuer Antonio beginnt eine erfolgreiche Schaffenszeit.
Antonio Jose da Silva (o judeu)
Koenig Joaõ V. von Portugal, den ich schon in vorherigen Beitraegen den katholisch Groessenwahnsinnigen, den Moechtegernheiligen genannt habe, der in Mafra einen Palast erbaut, weil er denkt, dort entstuende in Baelde das Neue Jerusalem, dieser "Grossartige"(wie ihn die Kirche nennen laesst) liebt auch Theater und Belustigung.
Doch Antonio schreibt nicht nur fuer den Adel zur Erquickung !
Er schreibt auch fuer das Volk.....
Das Volk liebt seine Art, wie er die Maechtigen verhoehnt, die Armut der Menschen auf die Buehne bringt, den Irrwitz des ruinoesen Bauwahns seines Koenigs, und alles nur in Anspielungen, unverfaenglich, vieldeutig, unangreifbar....
Das Volk liebt diesen Mann, der die Noete und Gedanken seiner Zuhoerer kennt und versteht, sie lieben Antonio !
Dass man António "den Juden" nennt, hat dabei nichts anruechiges oder abwertendes - im Gegenteil !
Fuer einen Portugiesen muessen auch sonst Auslaender herhalten, wenn er etwas bestimmtes in seiner Sprache ausdruecken will:
1. sieht ein Portugiese ein Problem......sieht er "griechisch"
2. ist ihm eine Sache absolut unverstaendlich....ist sie "chinesisch"
3. muss er viel arbeiten.....arbeitet er wie ein "Mohr"
4. ist eine neue Sache unbrauchbar....ist es eine "Americanice"
5. mischt sich jemand in Dinge, die ihn nichts angehn....dann ist er "wie ein Spanier"
6. lebt jemand auf grossem Fuss....dann lebt er auf "franzoesisch"
7. tut man etwas nur zum Prahlen.....dann tut man es, "damit es ein Englaender sieht"
8. feilscht jemand um einen Preis....dann eben wie ein Marokkaner
Und gibt jemand vortreffliche Widerworte, auf die man selbst als Autoritaetsperson keine Antwort weiss.....dann redet der wie ein judeu !
Das Unheil nahm seinen Lauf an einem 5. Oktober 1737 !
An diesem Tag feierte die Familie, Antonio und seine Frau Leonor Maria den zweiten Geburtstag von Toechterchen Lourencinha (sprich: Lurensinja)
Zufaelligerweise war Yom Kippur.
Aber wieder eine Hausangestellte,
Leonor Gomes, sah wichtigtuerisch darin einen Grund fuer eine Anzeige.
Dass sie sich in Widersprueche verzetteln wuerde, die ihr selbst eine Kerkerhaft einbringen, konnte sie nicht ahnen.
Als man sie aus ihrer Zelle schreien hoert, sie wolle ihre Anzeige widerrufen, stirbt sie einen ploetzlichen Tod.....
Antonio in seiner Zelle Nr. 6a -in Gedanken an seine Tochter- klagt:
"In meinem Wimmern bruelle ich, buesse ich, fuehle ich und weine,
ich sehe, oh ! G´tt! was ich verehre, in anderen Armen eingeschlafen"
Antonio verweigert Nahrung, unruhig irrt er in seiner Zelle umher.
Man hoert, wie er staendig die Verse aus seiner "Oper"
O Precipicio de Faetone (Der Abgrund des Phaeton) zitiert:
Hoer´doch G´tt die Widerklaenge, das Weheklagen
eines armseligen Ungluecklichen
dem das Glueck
zum Leben so unerbittlich gibt wie zum Sterben
Die Kerkermeister freuen sich. Die Spione haben alles fein saeuberlich notiert !
Jetzt geben sie andere Starfgefangene in seine Zelle und die sollen herausfinden, ob diese Hungerei schon wieder irgendetwas juedisches ist.
Fuer sachdienliche Hinweise verspricht man ihnen die Freiheit !
Sogar der Koenig soll sich zugunsten von Antonio ausgesprochen haben.
Wie hatte doch einst Antonio geschrieben ?
Wisset, die Gerechigkeit ist wie gemalt.
Und Du, das ist mir klar, blind wie Du bist
wirst nie in einem Urteilsspruch den Frevel erkennen
Heute am 18. Oktober war seine Hinrichtung.
Im langen Zug der Verurteilten schritt er in Ketten gesenkten Hauptes, mit einem Sambenito gekleidet, mit roten Zeichen:
Das Rote Zeichen ist das Zeichen eines zum Tode Verurteilten.
(Abbildungen im Beitrag ueber
Orobio de Castro)
Unter der Menschenmenge, den Schaulustigen, erkennt er seine Mutter und seine Ehefrau, sieht und weiss sie beide in Freiheit.
Von der Geburt seines Sohnes wird er wohl nicht erfahren haben.
Bitte das AKROSTICHON beachten
(Die Zeilenanfangsbuchstaben nach unten gelesen ergeben seinen Namen)
Zehnzeiler
Fuer den Leser, der sich nicht mehr aufregt
("ao leitor desapaixonado")
"Freund Leser, ganz mit Vorbedacht,
ich kritisiere ueberhaupt nicht
nur wuensch´ich und mit Mitgefuehl
dass mit meiner Fehlerhaftigkeit Du Dich bequemst.
Einen Namen such ich nicht fuers Beruehmtsein
keine Ehrenzeichen unter den Schriftstellern
Den Applaus aus den niederen Raengen
halte ich fuer meine Freude ausreichend
Die Lobreden die bedeutsamen
sind fuer die ganz grossen Manoever
Dieses Possenspiel von Harmonie
gelehrter und gewichtiger Zeitvertreib
Voll Anstand, Heiterkeit und sanft
ist unterhaltsam die Melodie;
Apoll, moege er mir den Tag erhellen
Hoher Meister teile mit mir
Ideen, Redebegabung und die Kunst,
Leser, auf dass sie sich vergnuegen
Willensstaerke zum Dienen bereit
Anteilnahme damit es gefaellt."
Antonio gab ein Signal.....
Mein Kommentar:
Die Menschen haben nichts dazugelernt, den Frevel sehen sie nicht.
Alles was den Staatsjuristen und Kommentatoren wichtig ist, was zaehlt, ist allein die "Legitimation".....
(oder kann mir bitte jemand sagen, was heutezutage grundsaetzlich anders ist ?!)
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Anmerkung:
Die obenstehenden Uebersetzungen habe ich selbst angefertigt und sind deshalb alle GROTTENSCHLECHT !
Ich bitte vielmals die Sprachkundigen unter meinen werten Lesern um Kritik und Verbesserung !
Posted by Ralf
at 1:16 PM BST
Updated: Wednesday, 18 October 2006 8:07 PM BST